China: Gestern, heute, morgen

Gerechter US-Krieg gegen China? Teil 2

Gerechter US-Krieg gegen China? Teil 2

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Daher stellt sich die Frage: Wann erscheint ein gerechter US-Krieg gegen China sinnvoll? Wann erscheint er nicht sinnvoll? Zugunsten dafür, dass ein gerechter US-Krieg gegen China sinnvoll erscheint, zählen als Voraussetzungen: (1) Dass die ruinierte US-Wirtschaft auf Hochtouren kommt. (2) Dass ein wirtschaftlicher Konkurrent der USA ausgeschaltet wird. (3) Dass China die Regeln einer Globaldesinfektion beachtet.

(1) Dass Kriege die US-Wirtschaft ankurbeln, war seit dem Bürgerkrieg bekannt, in welchem der Norden zeigte, wie Modernisierung zu technischer Überlegenheit führte und wie diese sich militärisch nutzen lässt. Doch erst von 1941 bis 1945 erwies sich ein industriell-militärischer Aufschwung, den nur die USA in diesem Ausmaß kannten. »1944 überstieg die amerikanische Kriegsmaterialproduktion den Gesamtausstoß aller anderen kriegsführenden Länder, Freund und Feind.«1Damals litt die US-Wirtschaft noch immer an den Folgen der Depression seit 1929. Die Situation hat sich mit der Pandemie insofern verschärft, als mit dem 2. Weltkrieg die USA die Voraussetzungen einer Globalhegemonie schuf, die erst nach dem Ende der Sowjetunion 1991 zur Geltung kamen und welche nunmehr von der Pandemie über Nacht zerstört wurden. Daher legt sich der Analogieschluss nahe, dass mit einem Aufmarsch gegen China wiederum jene ökonomischen Kräfte mobilisierbar würden, von denen auch China nach seiner Besiegung im Sinn einer gerechten Neuerfindung des Krieges profitieren würde. Anders: Ohne den US-Krieg gegen China gäbe es auf absehbare Zeit jenes ökonomische Buchstaben L, das heißt nur noch Depression; mit einem solchen Krieg gäbe es einen vom Kriege befeuerten Aufschwung. Ohne Bezug auf diesen Krieg fordert derzeit der kritische US-Ökonom Jack Rasmus: »Die USA müssen eine Kriegswirtschaft einführen. Dies Bedeutet, dass der Beitrag der Regierung zum Bruttoinlandsprodukt von derzeit 21 Prozenz auf mindestens 40 Prozent angehoben werden muss. So ist es während des Zweiten Weltkriegs, in den Jahren 1941/42 geschehen. Der Anteil der Regierung am BIP betrug 1940 etwa 15 Prozent. Er stieg 1942 auf 40 Prozent. Die bisherigen Krisenprogramme haben das Niveau auf etwa 30 Prozent angehoben, aber das wird nicht ausreichen.«2 Es fragt sich nur, ob diese Anhebung ohne militärische Mobilisierung möglich sein wird.

(2) Seit 2017 versuchen die USA über Importzölle ihr Handelsbilanzdefizit gegen China auszugleichen, worauf China mit Gegenzöllen reagiert. Der Markt reagiert auf diese feindselige Konkurrenz nicht etwa ausgleichend, sondern weist Spuren der Störung auf. Zwischen den USA und China war kein Handelsfrieden erkennbar, sondern eine letztlich ruinöse Konkurrenz. Könnten die USA China zu ökonomisch asymmetrischen Vorgaben zwingen, dann wären sie die Gewinner.

(3) Während (1) und (2) Voraussetzungen für einen Raubkrieg beschreiben, den die USA mittels ihrer Neuerfindung eines gerechten Krieges ergänzen möchten, so beschreibt (3) die Kriegswurzel einer Notwendigkeit. Die Pandemie kam aus China, und die restliche Welt muss nunmehr dafür bezahlen. So jedenfalls wird es zuweilen in den Medien dargestellt. Gibt es jedoch nicht eine aus menschenrechtlichen Voraussetzungen folgende Pflicht zur Globaldesinfektion? Ist nicht jede Gesellschaft angehalten, sich so zu verhalten, dass die Wahrscheinlichkeit von Zoonosen unterhalb der Grenzen pandemischer Ansteckung bleibt? Die Frage ist berechtigt.

Damit sie zu einem Kriegsgrund wird, bedarf sie einer gewissen Zuspitzung. Sie lautet: Hat China nicht dazu beigetragen, dass eine biologische Massenvernichtungswaffe nunmehr den Globus mit Covid-19 bedroht? Noch scheinen die USA eine mediale Hoheit in der Verbreitung von Desinformation zu besitzen. Wurden 2001 nicht die USA angegriffen? Eine genaue Aufklärung der Ereignisse steht bis heute aus. Globaler US-Krieg gegen den Terror war die Folge. Da er nicht gewonnen wurde, könnte nunmehr eine an den Rand ihrer Machtressource gedrängte US-Bewusstseinsindustrie eine pandemische Überflutung als chinesische B-Waffenbedrohung darstellen. Diese muss gar nicht absichtsvoll sein. Es genügt Unabsichtlichkeit. Es genügt die Möglichkeit des Unfalls ohne Absicht. China muss wissen, dass die anderen es als unabsichtlichen B-Waffenherd empfinden. China muss die anderen bedrohen. Die anderen benötigen Schutz. Sie müssen sich vor Chinas unabsichtlich zugefügten Schaden schützen. So geht, erzeugt in den USA, ein Mantra um die Erde Man schütze sich vor Auswirkungen einer unabsichtlich von China ausgehenden B-Waffen-Pandemie!

Dieser Imperativ des Schutzes ist jedoch nur der Auftakt eines Krieges der USA gegen China. Es handelt sich, wie gesagt, um einen gerechten Krieg. China wird, wie seine Besieger, zu seinem eigenen Nutzen, auf Dauer besiegt werden. Ihrer universalhistorischen Erfindung eines gerechten Krieges fügen die USA eine zweite, ebenso heilsame Erfindung hinzu: Der Krieg eines Landes mit einer Bevölkerung von 328 Millionen Einwohnern gegen ein Land mit 1,4 Milliarden Einwohnern wird zu einer Invasion der Helfer. Mit diesem Krieg werde sich China von sich selbst befreien und die ewig lebendigen Höhen einer universalistischen Erdpolitik für alle Zeiten, geleitet von den USA, beschreiten!

Dass die politische Wissenschaft in den USA neuerdings den Ersteinsatz von Atomwaffen geostrategisch einplant, zeigt eine dort sehr geschätzte Veröffentlichung. Es geht dem Verfasser um den Beweis, dass durch Aussicht auf Sieg in einem thermonuklearen Krieg Vorteile für den Sieger entworfen werden können. Dies geschieht 2018 in dem Buch The Logic of American Nuclear Strategy. Why Strategic Superiority Matters des Politikwissenschaftlers Matthew Koenig.3 Kroenig schlägt mittels einer unmissverständlich klaren Sprache eine nukleare Theorie als Synthese einer Überlegenheits-Risikopolitik vor (superiority-brinkmanship theory) vor. Ein Vorteil dieser nuklearen Überlegenheitsposition bestehe für die Vereinigten Staaten zum Beispiel darin, bei nuklearen Krisen als Gewinner hervorzugehen. »Sieg« definiert er dabei als Erreichen der eigenen Ziele. Die hier formulierte nukleare Geostrategie könnte zu den Voraussetzungen eines künftig möglichen Beglückungskrieges der USA gegen China gehören. Noch expliziter wurde Ende 2018 der einflussreiche US-Verteidigungsexperte Elbridge A. Colby. Der nämlich dachte über einen Atomkrieg gegen China unter der Devise nach »If You Want Peace, Prepare for Nucleare War«.4

Wie könnte man in China auf diese destruktiv-konstruktive Kriegspropaganda reagieren? Dass es, um mit jener bis heute kaum angreifbaren Weisheit des Laodse zu beginnen,

dem tiefen

dort, wo am tiefsten das tiefe

liegt aller geheimnisse pforte

das chinesische Geheimnis überhaupt nicht berühre?5 Oder, gar noch stärker am Ende des Tao-te-king:

das Dao des himmels:

nutzen ohne schaden

das Dau des weisen:

handeln ohne streit.6

Der noch so gerecht, konstruktiv gemeinte Streit und Krieg der USA wird demnach nicht von China angenommen. Das entspricht auch vermutlich noch der 2500 Jahre alten Maxime des Sunzi zur Kriegsführung: »Wer den Feind ohne Schlacht besiegt, versteht sich wirklich auf Kriegsführung.«7

Doch, wie steht es heute zu einer Zeit, in der China nur zwei Flugzeugträger und die USA zehn besitzt und wo in Ostasien die USA 110.000 Soldaten vor Ort hat und wo China von den USA »strategisch eingekreist« ist?8Wo China 3,14 Millionäre und und 596 Milliardäre, die beide jedoch keinen politischen Einfluss haben, und 43 Millionen Arme aufweist?9China will nuklear defensiv sein, doch es widersetzt sich jeder Kontrolle seiner Nuklearmacht, die auf deren Reduzierung hinausliefe.10

China, so darf man folgern, ist traditionell weitaus kriegsimmuner als alle anderen Staaten dieser Erde. In seinem Nuklearwaffenverhalten ahmt es jedoch die Geheimhaltung der USA nach.

Ziel der vor dem eigenen Abgrund stehenden USA ist das (moralisch gesehen) perfide Ziel einer Invasion der Helfer in China. Der Krieg gegen China kann daher (a) mit Getöse nicht geschehen und soll (b) lautlos erfolgen. (a) Die USA marschieren mit starken Flottenverbänden auf und scheinen die chinesische Ostküste mit ihren zahllosen Metropolen zu bedrohen. Der Aufmarsch der USA ist nur scheingeheim. China gerät in Aufruhr. Aus seiner virtuellen Einkesselung könnte rasch ein heißer Krieg werden. Es fallen Schüsse, aber noch eskaliert kein Gefecht zu einem Krieg. (b) Da hört man, dass im Gebiet der extrem unerschlossenen Taklamakan-Wüste in Westchina nördlich von Tibet und in unbewohntem Gebiet eine Atombombe mit etwa 100 Kilotonnen explodierte, was dem Vierfachen der Hiroshimabombe entspricht. Die USA sind verantwortlich, und ignorieren jede Täterschaft. Es kommt zu Unruhen in China. Eine US-PR-Täuschung weist auf einen chinesischen Unfall hin. Nach der von China ausgehenden B-Pandemie nunmehr dies! China soll nunmehr dastehen, als besitze es keine Selbstkontrolle mehr und als gehe von ihm Atomkrieg und eine B-Waffenartige Pandemie aus Versehen aus.

In dem allgemeiner werdenden Aufruhr in China bieten sich die USA als Invasion der Helfer an. Ein US-Drehbuch soll nunmehr funktionieren. Was geschieht? Die Chinesen könnten diese Hilfe akzeptieren, um der inneren Unruhen Herr zu werden. Dann würden sie nach kurzer Zeit von den USA instrumentalisiert. Zweisprachige Sino-Amerikaner besetzen Schlüsselstellen. China findet zu seiner Ruhe zurück. Unter Umständen wird die gesamte alte chinesische kommunistische Führung, die vermutlich auf wenig Sympathie bei der Bevölkerung stößt, wegen ihrer B-Waffen-Pandemie und ihrer Atomexplosionen vor Gericht gestellt und gehängt wie einst die Nationalsozialisten in Nürnberg oder lebenslänglich eingesperrt. Laodse wird nunmehr noch mehr gelesen als zuvor. China prosperiert, die US-Hegemonie erreicht den Gipfel von Wohlwollen. Im Unterschied zu Korea, Vietnam, zu Afghanistan, zum Irak, zu Libyen, zu Syrien, kommt mit dem unsichtbaren Krieg sichtbar der Frieden über die chinesischen Ebenen und seine Hochgebirge. Die US-Ökonomie wäre, zusammen mit der chinesischen, gerettet.

Und wenn China sich nicht bald instrumentalisieren lässt? An genau dieser Stelle könnte eine Grenze des US-Kriminaldrehbuches erreicht sein. Nicht wenige Kriminalfilme spiegeln diese Eigengrenze zum Teil als Wendung zur Komik, zum Teil aber auch als die Entfesselung einer Anarchie grenzenloser Gewalt in Form von anhaltender Schießerei. Als strategische Reserve würde sich eine zweite Atombomenexplosion in der Nähe der vorigen mit etwa gleicher Stärke anbieten, um Chinas Einlenken verdeckt zu erzwingen. Zu dieser Zeit könnte jedoch Nordkorea den USA misstrauen und, um China und den ostasiatisch-kommunistischen Herrschaftsraum zu schützen, die USA zerstören. Dazu genügt eine in etwa 100 km über den USA abgeschossene Atomrakete, die den in den USA gefürchteten EMP-Impuls auslöst, mit dem dort die gesamte elektronische Infrastruktur zerstört wäre, ohne dass ein einziger Schuss abgefeuert wurde. Die USA könnten im Gegenzug versuchen, Nordkorea atomar mit Raketen ihrer Atomunterseeboote auszulöschen. Doch mit dem EMP-Angriff fänden die USA ihr gewaltsames Ende, und mit einer nuklearen Auslöschung Nordkoreas wäre das gesamte Gebiet Ostasiens atomar verstrahlt.

Auch wenn es nicht zu einem Beglückungskrieg der USA gegen China kommen würde, so weisen doch gewisse Zeichen eine Zuspitzung auf: 1. Während der 45. US-Präsident von China Entschädigungen für eine Pandemie, erwartet, die sogar aus einem dortigen Labor stammen könnte (der Beweis steht jedoch aus), besteht 2. China auf seiner erfolgreichen Strategie der Abriegelung bei der Virusausbreitung, während die USA der Infektion ausgeliefert erscheinen, so dass China 3. seine internationale Überlegenheit zur Schau stellt. 4. Der Vorsprung Chinas zeigt sich in der systemischen Pandemie als Versagen der USA, die 5. von China auf internationaler Ebene als Reklame ausgenutzt wird.11

1 U. Sautter, Geschichte der Vereinigten Staaten von Amerika, Stuttgart 1994, 431.

2 Jack Rasmus. In: Junge Welt 2020 Nr. 133, S. 5.

3 Erschienen bei Oxford University Press, New York.

4 So Colby in einem Artikel für Foreign Affairs November/Dezember 2018.

5 Laodse 1988, Nr. 1, 51. In der Chinesisch-französischen Version 1979, 21 heißt es: »est mystère/Mystère des mystères/Porte de toute merveille.«

6 Laodse, Daodedsching. Übers. und Erläuterung E. Schwarz, München 1988, 131. In der französischen Fassung Lao-tzeu, La Voie et sa vertu. Tao-tê-king, Übers. F. Houang und P. Leyris, Paris 1979, 181: »La Voie du Ciel: gratifier sans nuire/La Voie du Sage: oeuvrer sans batailler.«

7 Sunzi, Die Kunst des Krieges, Übers. H. Eisenhofer, Hamburg 2018, 33.

8 A. Bondaz, Une modernisation militaire au service du Parti et du pays. In: A. Ekman Hrsg, La Chine dans le monde, Paris 2018, 190-194. Vgl. auch die neueren Belege dafür, dass China unter der Führung von Xi Jinping und beraten durch Wang Huning strikt an einem Sinomarxismus festhält: A. Ekman, Rouge Vif. L `idéal communiste chinois, Paris 2020.

9 J.-P. Cabestan, Demain la Chine: démocratie ou dictature?, Paris 2018, 224. Vgl. auch Hu Kai und G. Schildt, Das moderne China. 19. und 20. Jahrhundert. Stuttgart 2014, 91f.

10 V. Niquet, La puissance chinoise en 100 questions, Paris 2017, 248 f.

11 Vgl. Der Spiegel N. 19, 2.5.2020, besonders 85-86.

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