Aktualität der Antike

Souvenirs

Souvenirs

Hadrian:

Seelchen, schweifend, zärtelnd, 
Gast und und Begleiter des Leibes,
wohin wirst du nun fortgehen? 
(»animula vagula blandula,
hospes comesque corporis,
quo nunc abibis?«

So lauten die ersten drei melancholisch ironischen Zeilen jenes Gedichtes, das der römische Kaiser Hadrian vermutlich nahe seiner Todesstunde verfasste (er starb in der Nähe von Neapel 138 n. u. Z.). Man beachte, dass Hadrian eine beklemmende Frage nach dem stellt, was künftig aus seiner Seele werden wird. Wird er im Jenseits, in das sein Seele auswandern würde, auch jenen Palamedes treffen, von dem oben gehandelt wurde? Sokrates nämlich, bevor er den Giftbecher trank, hoffte auf sein Zusammentreffen auch mit Palamedes. Denn der erlitt, wie Sokrates, dasselbe »Schicksal« (páthe): Beide kamen durch »ein ungerechtes Urteil ums Leben« (Platon, Apologie 41 b).

Es handelt sich bei Hadrian um keine Aussage in Frageform, somit nicht um eine rhetorische Frage. Hadrian stellt vielmehr eine »unendliche« Frage, auf die es nur unendliche Antworten gibt. Wird sein »Seelchen« in das unbekannte Land gelangen, aus der, wie Hamlet betont, »kein Wanderer wiederkehrt?« Er bestätigt damit das oben unter Ereignis skizzierte Konzept der Einführung eines Rogativparadigmas in das philosophische Denken, das die traditionellen religiös-imperativischen und die philosophisch-propositionalen erweitert.

Es handelt sich um jenen Kaiser, den uns Maguerite Yourcenar bis heute näher brachte als irgendeine andere politische Gestalt der gesamten Antike. In dieser Nachgestaltung findet sich einmal der Satz: »Car je refusais, ici comme partout, de m`assujetir à un système« (Denn ich lehnte es ab, hier und überhaupt, mich einem System zu unterwerfen, Youcenar 1974; Mémoires d`Hadrien. Gallimard: Paris, 112.) Dieser Geist der frei bestimmten Widerstands der Nichtunterwerfung, dieser Geist Jean-Jacques Rousseaus scheint auch der Geist Hadrians gewesen zu sein

Kluges zu Hadrians Zeilen findet sich bei Karl Büchner 1994: Römische Literaturgeschichte, Kröner: Stuttgart, 482-484).

La Fontaine

Wir glauben das Übel erst,
wenn es gekommen ist.
(»Nous ne croyons le mal
que quand il est venu.« La Fontaine 2002: Fables, 71. I.8. Le livre de poche classique: Paris)

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