China: Gestern, heute, morgen

Gerechter US-Krieg gegen China? Teil 1

Gerechter US-Krieg gegen China? Teil 1

Bevor es eine 2. Pandemie mit anarchischer Gewalt gäbe, erscheint es nicht unwahrscheinlich, dass die an die Wand ihrer hegemonialen Potenziale gedrängten USA (Folgen der Covid-19-Pandemie) darüber nachdenken, China für die nächsten Generationen militärisch schachmatt zu setzen. In der Literatur zum Thema China und die USA wird inzwischen offen von einer Kriegsmöglichkeit geredet. „Werden die USA ihren (unvermeidlichen) Abstieg hinnehmen oder mit ihrer gigantischen militärischen Kraft unter Zuhilfenahme des Vasallen Europa ihre Position zu retten versuchen?“ fragt in seiner Besprechung eines Buches von Conrad Schuler der Politikwissenschaftler Werne Ruf.1 Die USA können ihren Krieg gegen China als gerechten Krieg werten. Warum: gerecht? In der Vorstellung der USA gibt es etwas, das Krieg ist und das trotzdem auf gerechte Weise erfolgt. Beanspruchen die USA auf diese Weise ein historisches Novum? Diese Frage wird sich alsbald aufklären. Ein Krieg der USA gegen China fand realiter in Korea statt, als US-Bomber »versehentlich« chinesisches Territorium und dortige für China lebenswichtige Wasserkraftwerke bombardiert hatten.2

Im Jahre 1996 stellte sich Huntington einen Krieg zwischen China und den USA vor. Damals ging dieser Krieg von China aus. Die USA intervenierten im Namen des Völkerrechts. Der Krieg mündete in eine atomare Auseinandersetzung im Mittelmeerraum. Doch im Verlauf seiner Kriegsbeschreibung fällt der entscheidende Satz: »Für alle Kombattanten ist die Kontrolle über und der Zugang zu Erdöl von zentraler Bedeutung.«3 Auch dieser Krieg war also, was Kriege stets waren, ein ruhmreicher Raubkrieg. Was Huntington damals noch nicht ahnen konnte, so könnte es auch demnächst einen US-Krieg mit China geben, weil Raub infolge Not so dringlich wurde, dass nationales Überleben an erfolgreichen Raub geknüpft erscheinen könnte. Auch jene tausend Jahre eines gigantischen Reiches der Römer, innerhalb dessen jenes griechische kulturelle Plasma zur kulturellen Entfaltung gelangte, entstand aus Raub und wandelte sich erst allmählich in ein Handelsimperium. Doch das Motiv zum Raub entstand nicht aus nackter Not des Überlebens, wie nunmehr die Pandemiefolge der Vereinigten Staaten nahelegen könnte. Bevor die USA sich in mittellose Einzelstaaten auflösen würden, könnte es die als letzte Chance seiner verbleibenden militärischen Supermacht China schachmatt setzen. Doch es besteht ein gravierender Einwand: Die Atommacht USA greifen keine Mächte an, die ihrerseits über Atomwaffen verfügen. Diese Regel beschreibt informell vor der Pandemie das Staatshandeln der USA. Gilt es jedoch auch nach der Pandemie? Für welche Zeit können auch die USA Menschen ohne Arbeit in der Zahl von 30, oder 40 oder mehr Millionen aushalten?

Um eine Kriegsoption der USA zu konzipieren, scheint ein Kalkül der Differenz möglich, der genau eine Bedingung erfüllt: Der Nutzen des Krieges muss sowohl für die USA kurz- und langfristig und ebenso für China langfristig größer sein als kein Krieg. Die USA waren daran gewöhnt, dass einer solcher Nutzen für die Besiegten eine Art US-amerikanischer Beitrag für den Fortschritt der Universalgeschichte darstellt. Die USA könnten versucht sein, Kriege, die auch die Besiegten fördern, als gerechte Kriege zu verstehen. Sie haben dafür drei Gründe. Doch es gibt auch Gegengründe, die es verhindern, dass jener Kalkül der Differenz zu einer Regel wird. Der US-Präsident Wilson, der Deutschland eine Demütigung in Versailles ersparen wollte, setzte sich, wie zuvor angedeutet, weil er grippeinfiziert war, in Versailles nicht durch. Der welthistorische US-Beitrag, der Wohlstand auch der Besiegten bringen sollte, kam damals mit dem Eintritt der USA auf die globale Bühne, noch nicht zustande. Doch er sollte in Japan und in Deutschland geschehen. In Japan erfolgte nach dem Abwurf der US-Atombomben eine Wohlstandsphase. Ähnliches galt für Deutschland. Der Wilson-Gedanke, dass Kriege keine Verlierer schaffen dürfen, sollte sich in Asien und in Europa bewähren. Doch er bewährte sich weder im Koreakrieg noch im Vietnamkrieg, noch im Afghanistankrieg 2001-2020 noch im Irakkrieg 2003, noch im Libyenkrieg 2011, noch im Syrienkrieg, wie dort 2015 offenkundig wurde. Der Koreakrieg bestätigte die Existenz eines kommunistischen Nordkoreas. Der Vietnamkrieg endete mit einer vollständigen US-Niederlage. In Afghanistan misslingt eine Einigung mit den früheren Todfeinden der USA, den Taliban. Der Irakkrieg führte nicht zum Aufbau eines demokratischen Irak, sondern zu dessen Zerstörung. Der Libyenkrieg schuf einen failed state. Im Syrienkrieg half Putin den Syrern gegen internationale Bombardements, zu denen sich völkerrechtswidrig Nationalstaaten selbst berechtigt hatten.

Daraus könnten die US-Planer den Schluss ziehen, dass sie einerseits noch einmal einen gerechten, auch das Wohl des Verlierers einbeziehenden Krieges wagen sollten, und dass andererseits dieser Krieg ihrer eigenen pandemischen Notsituation folge und möglicherweise gar einen US-Bürgerkrieg verhindere: Einen zweiten Bürgerkrieg, diesmal der Verarmten gegen die Wohlhabenden. Die US-Planer, sofern sie an einen Krieg mit China denken, haben also ein dreifaches Szenario der Furcht vor sich: Furcht vor eigener internationaler und hegemonialer Handlungsunfähigkeit; Furcht vor einem zweiten inneramerikanischen Bürgerkrieg; Furcht vor einem verallgemeinerten Atomkrieg.

1 Werner Ruf, China auf dem Weg zur Hegemonialmacht? In: Zeitschrift für marxistische Erneuerung 123, September 2020, 235. Er nimmt dabei Bezug auf: Conrad Schuhler, Wie weit noch bis zum Krieg? Die USA, China, die EU und der Welfrieden, Köln 2020

2 W. Blum, Killing Hope. US Military And CIA Interventions Since World War II, London 2014, 54.

3 S. P. Huntington, Kampf der Kulturen. Die Neugestaltung der Weltpolituik im 21. Jahrhundert, München/Wien 1997, 518.

Fortsetzung folgt…

Ein Gedanke zu „Gerechter US-Krieg gegen China? Teil 1

  • Claudia Marrapodi

    Die USA wollen die weltweite militaerische und wirtschaftliche absolute Macht! Ich denke mir, dass sie deswegen vor allem im Nahen Osten Kriege anzetteln, damit es dort moeglichst viele Fluechtlinge gibt, die dann Europa heimsuchen! In dieser Weise wird Europa in vieler Hinsicht geschwaecht, waehrend die USA wie eh und je ihre weisse Weste nach aussen kehren und den Freund und Helfer spielen, was ihnen allerdings unter Trump nicht mehr so richtig gelang! Der Tunichtgut zeigt sein wahres Gesicht, weil er sich wie ein ungezogener Bengel auffuehrt und somit offenbar wird, dass er ueberall zuendelt! Jeder kommende Gentleman wird dies aber wieder geradebiegen!

    Antwort

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert